OK, dann will ich mal Input geben. eine Userin beschreibt ihren Zustand während ihrer schwer verlaufenden Erkrankung als "grausam". Lass mich mal erklären, was sie damit wohl meint...
Schwer von Covid-19 betroffene Menschen berichten oft von einem Gefühl des „inneren Ertrinkens“. Als Altenpfleger ist man sehr oft auch in dem Augenblick bei den Menschen, wenn sie sterben. Ich habe sehr viele Menschen in meinen über 30 Berufsjahren sterben sehen – wie viele es waren, weiß ich nicht mehr. Fast alle Namen dieser Menschen habe ich vergessen – was ich aber nicht vergessen habe und vergessen kann, sind die Augen von den Menschen, die innerlich ertrunken sind und denen man nicht helfen konnte. Diese Augen vergesse ich nic ht mehr – und bei jedem Menschen, der sich in der gleichen Situation befindet und den ich betreue, sehe alle diese Augen wieder.
Seit ich selbst einmal in einer Situation dieses „inneren Ertrinkens“ war, weiß ich auch, warum diese Menschen so schauen, dass man ihre Augen nie wieder vergisst. Was dann im menschlichen Körper passiert, ist unvorstellbar. Alles in einem kämpft und muss kämpfen – nicht um zu überleben, das geht nicht, denn es ist sicher, dass man sterben wird (die Luft reicht einfach dafür nicht) – alles in einem kämpft mit unvorstellbarer Kraft um jede Sekunde, jede Millisekunde die man noch da ist. Die Zeit dehnt sich dabei wie ein Gummiband. In diesem Zustand kann man nicht sterben – stirbt man da trotzdem, ist das die absolute Hölle. Manche Personen schaffen es eben nicht, das lange genug durchzustehen. In meinem Leben habe ich eine Person so zu diesem Zeitpunkt sterben sehen. Von dieser Person vergesse ich auch den Namen nicht mehr. Nie mehr...
Aber die meisten Menschen haben Glück. In der Regel passiert irgendwann etwas, was alles etwas leichter macht. Man kommt dann in einen Zustand, in dem man dann (wie ein Mensch) sterben kann. Man hat immer noch Angst, es ist immer noch schlimm, das man sterben wird - aber man muss dann nicht mehr um jede Millisekunde kämpfen. Eine unvorstellbare Erleichterung.
Diese Änderung tritt ein, wenn körpereigene Morphine ausgeschüttet werden oder ein Arzt mit geeigneten Medikamenten eingreift. Solche Medikamente sind zum Beispiel Atosil, Tavor oder Morphium Präparate. Mir hat damals ein Arzt geholfen – mit Atosil.
Die Todeszahlen gehen so langsam auf 500 pro Tag zu.
Das sind im Augenblick fast 500 Menschen pro Tag, die wohl das durchmachen, was ich oben beschrieben haben. Im Augenblick fast 500 Menschen pro Tag, von denen man die Augen nicht mehr vergessen kann, wenn man sie pflegt.
Bricht die medizinische Versorgung in Deutschland zusammen, werden aus vielen von diesen 500 Menschen pro Tag Menschen werden, von denen man auch die Namen nicht mehr vergisst, wenn man bis zum Schluss bei ihnen geblieben ist und es durchgehalten hat, das mitanzusehen...
Dann hast du offensichtlich sehr spannende Einblicke zu geben.
Ich glaube eher, dass die meisten Menschen wohl eher nicht wissen wollen, was ich zu sagen hätte. Das sind zu mindest meine Erfahrungen dazu.
Auch dieser Beitrag hier wird deshalb also keine User in Massen in euer Forum ziehen.
Leider wollen immer mehr Leute von der Realität scheinbar gar nichts wissen. Neulich gab es eine Demo vor dem Krankenhaus, in dem mein Sohn arbeitet. Dort wurden unter anderem Mitarbeiter beschimpft, dass sie sich gefälligst um Menschen kümmern sollten, die wirklich krank sind - nicht um Covid-19 Patienten.
In der Realität liegt in dem Krankenhaus, in dem mein Sohn arbeitet, kein einziger Covid-19 Patient. Die kommen alle sofort in das Krankenhaus, in dem mein Neffe arbeitet - so lange das noch geht.